the myth of the madding crowd

Der Einsatz von simulationsgestützten Personenstromanalysen nimmt im Rahmen der Planung und Beurteilung von Bestands- und Neubauten stetig zu. Bei der Vorstellung von Referenzprojekten in einschlägigen Fachzeitschriften wird häufig auch die durchgeführte Räumungsanalyse hinsichtlich der Sicherstellung der Rettungswege erwähnt. Die Gewährleistung der Personensicherheit wird hierbei oft allein nach dem Grundsatz geführt, dass die Räumungszeit kleiner sein muss als die verfügbare Räumungszeit. Als akzeptierte Grenze für die zur Verfügung stehende Räumung wird auf die gesetzlich oder per Verordnung festgelegte Hilfsfrist für die Feuerwehr zurückgegriffen. Das dies nicht der Weisheit letzter Schluss ist, zeigt beispielsweise die kritische Auseinandersetzung mit der oft zitierten „Reanimationsgrenze“ im Brandfall. Weitergehende Nachweiskriterien werden nur bedingt betrachtet bzw. in Erwägung gezogen.

In den vergangenen Jahren konnte man immer häufiger lesen, was die einzelnen Programme, die zur Anwendung kommen, nicht leisten können. Als „Mangel“ wird hierbei oft die fehlende Möglichkeit der Abbildung der individuellen Informationsverarbeitung von Personen (Kognition) und das Verhalten von Personen in Gefahrensituationen aufgeführt. Als schwerwiegende Unvollkommenheit der Modelle für die Beurteilung im Rahmen von Brandschutz- und Sicherheitskonzepten wird sehr oft die fehlende Abbildung des „irrationalen“ Verhaltens von Personen beschrieben.

Diese Ansichten, die nicht selten selbst von Brandschutzplanern und Sachverständigen im Rahmen der Beurteilung der Personensicherheit aufgeführt werden, sollten durch bereits seit längerem vorliegende Erkenntnisse über das Verhalten von Personen in Gefahrensituationen endlich ersetzt werden.

Als eine Alternative zur üblichen Urlaubslektüre sei an dieser Stelle einmal auf den interessanten Artikel „The Madding Crowd goes to school: Myths about crowds in introductory sociology textbooks  von David Schweingruber und Ronald F. Wohlstein verwiesen. Die beiden Autoren untersuchten bereits im Jahr 2005 zwanzig englischsprachigen Fachbücher zur Einführung in die Soziologie nach den sieben Mythen der Massenpsychologie. Basierend auf dem Buch von Clark McPhail „The Myth of the Madding Crowd analysierten die beiden Wissenschaftler das Auftreten von bekannten Behauptungen über das Verhalten von Menschen in größeren Menschenmengen in den Fachbüchern. Die Anzahl der gefundenen Mythen schwankten je Buch zwischen eins und fünf. Am Ende ihrer Ausführung geben die Autoren Hinweise, wie man zukünftig Kapitel zum Thema „Crowd Behaviour“ formulieren kann. Neben einem umfassenden Ãœberblick sollten die Ausführungen zeigen, dass Personen in größeren Menschenmengen zielgerichtet sind, zeitlich befristet keine kognitiven Defizite entwickeln und das Verhalten nicht völlig vom Verhalten in anderen Situationen abweicht.

Literaturhinweise

1.
McPhail C (1991) The myth of the madding crowd. A. de Gruyter, New York
1.
Schweingruber D, Wohlstein RT (2005) The Madding Crowd Goes to School: Myths about Crowds in Introductory Sociology Textbooks. Teaching Sociology 33:136–153. https://doi.org/10.1177/0092055X0503300202
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